Wahrscheinlich haben sich viele unter uns schon gefragt, ob sie sich
strafbar machen, wenn sie ihrer Partnerin oder ihrem Partner Schmerzen zufügen,
selbst deren Einverständnis vorausgesetzt oder explizit gegeben. Wie verhält sich das bei unserem Gerichtshof?
Dazu gibt es im Strafgesetzbuch den § 228:
§ 228 StGB Einwilligung
Wer eine
Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, handelt nur
dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten
verstößt.
Selbst für juristische Laien ergibt sich sofort die nächste Frage: Was
ist sittenwidrig?
Dazu haben sich wie zu erwarten
die Gerichte befassen müssen. Mit unserer „Branche“ hat sich sogar schon das
Reichsgericht 1929 beschäftigt.
[Zitat aus einem Urteil des
Bundesgerichtshofes:]
„Die Ansicht des Reichsgerichts, wonach bei sadomasochistischen
Praktiken die Körperverletzungen "zu Unzuchtszwecken" erfolgten und
deshalb trotz einer etwaigen Einwilligung ein Verstoß gegen die guten Sitten
vorliege (vgl. RG JW 1928, 2229 mit krit. Anmerkung Bohne JW 1929, 1015; HRR
1931, 1611), ist nicht zuletzt wegen der gewandelten Moralauffassungen überholt“.
Der Bundesgerichtshof hatte sich
mit einem Fall von Atemreduktion zu befassen, bei dem die wiederholte
Aufforderung der Betroffenen an ihren Ehemann, sie zu würgen, mit ihrem Tod durch Herzstillstand endete. Alle (mir
bekannten) einschlägigen deutschen Urteile bezüglich Sittenwidrigkeit bei SM
Aktivitäten beziehen sich auf massive Gefährdungen der Einwilligenden mit
Todesfolge.
[Zitat aus dem Urteil des
Bundesgerichtshofes]:
„Bei Sadomasochismus handelt es sich um eine "existierende und
praktizierte Form des Sexuallebens", die in den unterschiedlichsten
Erscheinungsformen zutage tritt und etwa in heterosexuellen, homosexuellen, pädophilen
oder auf Autoerotik beschränkten Varianten vorkommt. Sadomasochistische
Vorgänge stellen sich als sehr uneinheitlich dar und werden von Ehepaaren,
Singles, in monogamen oder promiskuitiven Beziehungen praktiziert (May aaO S.
2, 10). Zur Frage der Bewertung sadomasochistischer Handlungen lässt sich
überdies - auch unter Berücksichtigung ihrer gesamten Bandbreite - wohl kaum
nach allgemeinen Anschauungen in der Bevölkerung ein eindeutiges
Sittenwidrigkeitsurteil feststellen. Außerdem lässt sich gegen eine so
begründete Bewertung als sittenwidrig anführen, dass dies den Wertungen des 4.
Strafrechtsreformgesetzes vom 23. November 1973 (BGBl I 1725) widersprechen
würde, welches die frühere Kennzeichnung der Straftatbestände im 13. Abschnitt
des Besonderen Teils des StGB als "Sittlichkeitsdelikte" durch
diejenige als "Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung"
ersetzt und damit ein anderes Rechtsgut in den Vordergrund gerückt hat (vgl.
Roxin aaO § 13 Rdn. 38; Niedermair aaO S. 188).“
Daraus darf man wohl schließen,
dass bei sadomasochistischen Spielen auf jeden Fall Sittenwidrigkeit besteht,
wenn es voraussehbar zu lebensbedrohenden Folgen kommen könnte. Wie sich das bei
verlangten Verletzungen mit andauernden gesundheitlichen Schäden inklusive
Verlust von Gliedmaßen verhält, habe ich nicht recherchiert, aber der BGH hält
sich in seinem Urteil insofern eher bedeckt:
„Wie dargelegt, hält der Senat das Ausmaß oder das Gewicht der
drohenden Rechtsgutverletzung für maßgebend mit der Folge, dass ab einem
bestimmten Grad der körperlichen Beeinträchtigung oder einer möglichen
Lebensgefahr der Einwilligung alleine grundsätzlich keine rechtfertigende
Wirkung zukommt. Ob diese Grenze überschritten ist, ist auf Grund einer
"ex-ante" vorzunehmenden Beurteilung zu entscheiden. Der Senat kann
hier offen lassen, ab welcher Verletzungsintensität Sittenwidrigkeit in
Betracht kommt und ob bzw. unter welchen Voraussetzungen weitergehende Zwecke
oder sonstige Umstände in die Würdigung der Tat einzubeziehen sind. Die Grenze
zur Sittenwidrigkeit ist jedenfalls dann überschritten, wenn bei
vorausschauender objektiver Betrachtung aller maßgeblichen Umstände der Tat der
Einwilligende durch die Körperverletzungshandlung in konkrete Todesgefahr
gebracht wird. Für diese Eingrenzung sprechen sowohl der Normzweck des § 228 StGB als auch die aus der Vorschrift des § 216 StGB abzuleitende
gesetzgeberische Wertung. Sie begrenzen die rechtfertigende Kraft der
Einwilligung in eine Tötung oder Körperverletzung, da das Gesetz ein soziales
Interesse am Erhalt dieser Rechtsgüter auch gegen den Willen des Betroffenen
verfolgt“.
Die Rechtsauffassung des BGH, wonach
erotische Spiele im Querschnitt der Bevölkerung als weitgehend akzeptiert
gelten und nur dann noch als sittenwidrig zu bewerten sind, wenn sie im
öffentlichen Bereich vorgenommen werden, oder als deutlich lebensbedrohend einzuordnen sind, müssen sich die Organisatoren des
Spanking Gerichtshofes, aber auch die der Internate und sonstiger Events keine
Sorgen machen. Es scheint auch nicht erforderlich zu sein, von den Teilnehmern
schriftliche Einwilligungen einzuholen, obwohl das unter Umständen einen
erhöhten „Kick“ bewirken könnte, bzw. noch mehr „Fliegen im Magen“.
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