Ich habe schon einmal einen Artikel über Rattan geschrieben, aber kürzlich ergab sich anlässlich einer Schulstunde die Gelegenheit, die Recherche über eine Pflanze zu vertiefen, die immer noch wenig untersucht ist, obwohl sie in Südostasien ein großer Wirtschaftsfaktor ist, und es einen viele Seiten starken Guide gibt, in dem Qualitätskriterien und viele Dutzend Definitionen nachzulesen sind. Nun, meine Internats-Schüler in Feuchtwangen hat es derart interessiert, dass sie (fast) ganz brav zugehört haben. Daher möchte ich mit diesem Post zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen (Pun intended) und sowohl den Text der Lecture unter die Leute bringen als auch die Bilder (s. Link).
1. Namen
Rattan ist nicht der einzige Name für die Pflanze, von der unsere Rohrstöcke stammen. Die Pflanze stammt wohl aus Indonesien und wurde ursprünglich Latti oder Uway genannt, je nach Volksstamm.
Weitere Bezeichnungen Sind Rotan(g), Cane, Calamus, Peddigrohr, Kooboo. Manche Bezeichnungen sind aber die Namen von Häfen, wie z.B. Malacca, Manaus, Manila, Tohiti. Es ist nicht einmal sicher, ob der gefürchtete Malacca Rohrstock etwas Besonderes ist, sondern nur aus dieser Stadt stammt mit ihrem Hafen als Verschiffungsort.
2. Biologie
Wissenschaftlich ist die Rattan Palme ein Liliengewächs aus der Familie der Arecaceae (Palmen). Sie ist ein Klettergewächs wie viele Lianen. Am weitesten verbreitet unter den mehr als 600 Arten und 13 Gattungen sind die Calamus Arten. Man findet sie generell im tropischen Regenwald in vielen pazifischen Regionen wie Indonesien, Malaysia, Philippinen, Sri Lanka, Kambodscha, Vietnam. Von dort hat sich Calamus verbreitet bis China, Japan, Indien, Afrika und Australien.
Die Palme braucht viel Wasser und strebt wie alle Gewächse im Regenwald zum Licht, ist aber kein Baum, sondern benutzt freistehende Bäume als Kletterhilfe. Die Liane krallt sich an Bäumen und Unterholz mit Hilfe von Dornen und Haken fest, die entweder an den Blättern sitzen, oder am Stängel selber. Dabei wächst sie nicht nur an einem einzelnen Baum in die Höhe, sondern kann auch quer durch den Wald wachsen. Berichtet werden Längen bis zu 200m, wobei das stark schwanken kann und abhängig davon ist, wie lange eine Pflanze Zeit hatte zu wachsen. Da Rattan zu Metern zerschnitten verkauft wird, dürften die Zahlen aber stimmen.
Sie liebt jede beliebige Höhe von der Meereshöhe bis zu 3000 m. Sie pumpt über osmotischen Druck so viel Wasser in die Spitze des Stängels, dass man die Pflanze auch als Wasserspeicher benutzen kann. Das Innere der Stängel besteht aus unzähligen dünnen Röhren, durch die das Wasser transportiert wird.
Es gibt mindestens 600 Arten der Rattan Palme in ungefähr 13 Gattungen, die bekannt sind. Und für viele Arten gibt es regional bedingt Doppelbenennungen. Die Biologie der Pflanze ist noch nicht wirklich gründlich erforscht. "Aktuelle" Publikationen sind Jahrzehnte alt. Auch das Bildmaterial ist nicht sehr üppig und sehr alt. Daher sind die jetzigen Abreitsbedingungen im Regenwald nicht wirklich gut dokumentiert. Die Samen fallen aus den Früchten auf den Boden und brauchen bis zu zehn Jahren, bis Rattan geerntet werden kann.
Fast alle Teile sind essbar: das Mark, die Früchte und der Spross, der sehr Stärke-haltig ist. Eine Besonderheit ist die Dicke der Stängel, die nicht zu- oder abnimmt. Sie ist über die gesamte Länge gleich, zwischen 1 und 5 cm dick. Es gibt also keinen Rattan-„Stamm“, sondern nur sehr schlanke Stängel.
Die Verwandtschaft zur Palme wird besonders durch die Blätter deutlich, lange federähnliche Gebilde, die sich paarweise angeordnet gegenüber stehen.
3. Ernte
Die Rattan Palme bildet die Einkommensbasis der armen Bauern, die in Dörfern des Regenwaldes leben und keine andere Existenz haben. Rattan wird nur ganz selten in Plantagen angebaut. Über 90% wird von den Bauern im Wald geerntet. Da der Wald gleichzeitig auch sehr stark abgeholzt wird, entzieht diese gefährliche Forstwirtschaft nicht nur dem Rattan die Wachstumsbasis. Wie zu langsam klar wird, ist auch der Regenwald selber, die Lunge der Erde, in Gefahr. Zusammen mit extensiver Rattan Ernte und so gut wie keiner Rekultivierung, gefährden die Bauern zusätzlich ihre eigene Existenz.
Die Ernte ist ein sehr anstrengendes Geschäft, da mindestens zwei Mann notwendig sind. Einer klettert so weit nach oben, wie er es schafft und löst die Liane vom Wirtsbaum. Der Andere zieht das frei gewordene Stück nach unten. Meistens müssen die Lianen am Baum zerschnitten werden, um sie zu ernten. Oft bleibt ein großer Teil der Liane unerreichbar, weil er unerreichbar ist. Aber Rattan wächst sehr schnell nach, wenn man die Wurzeln im Boden lässt.
Rattan Stängel werden vor Ort in Stücke von mehreren Metern zerschnitten und zu dicken Bündeln gebunden. Meist müssen sie über größere Strecken und aus großen Höhen abwärts transportiert werden. Sie werden sowohl vom Menschen getragen, als auch von Büffeln, Pferden oder Elefanten transportiert. Größere Strecken werden auf dem Wasserweg bewältigt. Das wird oft mit Hilfe von Flößen geschafft, wie wir das noch von unserer Holzwirtschaft in früheren Zeiten kannten. Rattan schwimmt nicht, sondern wird an so genannten Träger-Hölzern befestigt, die sehr tragfähig sind, ehe es die Reise antritt. In den Dörfern werden die Bündel geöffnet und die Lianen am Boden ausgebreitet. Dann wurde die Außenhaut mit den Blättern und Kletterhilfen (Dornen, Haken, Ranken etc.) früher in Handarbeit entfernt, heute gibt es wahrscheinlich Maschinen. Nach dem groben Sortieren in Qualitätsklassen muss das Rohmaterial über längere Zeit trocknen. Dann wird es mit Wasserdampf, Schwefeldampf oder sogar Dieselöl erhitzt, um möglichst alle Schädlinge zu vernichten. In Öl erhitztes Rattan braucht keine Versiegelung.
Diese langwierigen Vorbereitungen erzielen jedoch noch keinen richtigen Wertzuwachs, d.h. es verdienen nur die Händler
4. Anbau
Da die kleinen Bauern nicht die Mittel haben und auch keine qualifizierte Anleitung zur Rekultivierung von Rattan haben, hat die Verknappung des Materials zwar Investoren auf den Plan gerufen, die den Anbau in Plantagen versuchen, ist der sichtbare Erfolg mäßig. Es gibt 6000 Hektar auf Mindanao und Mindoro, auf Malaysia 31.000 Hektar und in Indonesien 37.000 Hektar. Dieser Anbau kann nicht annähernd den rapide wachsenden Bedarf decken. Die Philippinen, der weltgrößte Exporteur fertiger Produkte, importieren bereits das Rohmaterial, da die eigenen Ressourcen nicht reichen. Regional gibt es schon Erntekontingente und Abbaubeschränkungen.
5. Vermarktung
Der Mehrwert wird wie immer, wenn es die armen Leute betrifft, durch den Handel erzeugt. Die Bauern bekommen kaum etwas pro Meter, der in harter Arbeit geerntet wurde, die Händler erzielen hunderte Prozent Gewinn und die Fabrikanten sahnen richtig ab, denn nahezu alle Rattan-Möbel können zu Top-Preisen verkauft werden. Dabei kommt es zur Erzielung des eigentlichen Mehrwertes.
Etwa 15.000 Möbelhersteller beschäftigen rund 500.000 Angestellte und weitere 300.000 Zulieferer. Aber kaum einer der Produzenten beschäftigt mehr als 150 Mitarbeiter. Die Philippinen exportieren etwa 30 % aller Rattan Möbel, die zu über 60% von den USA importiert werden. Der Export erzielt im Augenblick mehr als 1 Milliarde Dollar Umsatz.
Außer Möbeln werden auch viele andere Produkte aus Rattan hergestellt, z.B. Gehstöcke, Schirmgriffe, Kampfsport-Stöcke, Matten, Langbögen, Teppichklopfer, Reusen. Aus den Früchten kommt das so genannte „Dragons Blood“, ein Blutungen stillendes Pharmazeutikum, aber auch eine Farbe, die früher z.B. als Lack im Violinbau verwendet wurde. Im Grunde ist es in der Volksmedizin eine Art Allzweckwaffe, wie bei uns das Aspirin.
Selbst die Automobilindustrie hat Rattan entdeckt und verarbeitet es im Innenraum, auch Fahrradrahmen werden aus Rattan hergestellt. Unsere Rohrstöcke sind im Prinzip ein Abfallprodukt und meist von schlechter Qualität.Doch gute Qualitäten, wie die Dragon Canes sind schon deutlich teurer. Sie zeichnen sich durch größere Dichte des Stängels und sehr geraden Wuchs aus.
Rattan kann auch gespleißt und für Flechtwerk verwendet werden, also für Matten oder Rückenlehnen von Stühlen. Man nennt dieses Produkt auch Wickerwerk. Außerdem werden Rattan-Streifen zum Verbinden von Bauteilen verwendet, d.h. es werden kaum Nägel oder ähnliches benutzt, sondern im Idealfall wird ein Möbelstück komplett aus Rattan hergestellt.
Aus Gründen, die ich vorhin genannt habe, ist die Lebensbasis für die Bewohner des Regenwaldes gefährdet, es gibt bereits eine Verknappung des Rattans, aber die Nachfrage steigt.
Rattan wird ja auch als Cane bezeichnet. Da fallen einem gleich der Sugar Cane (Zuckerrohr) und der Bambus ein. Nun, der wesentliche Unterschied zwischen Rattan und Bambus besteht darin, das Bambus frei wächst, hohl und wasserempfindlich ist und längst nicht so stabil wie Rattan. Er muss versiegelt werden Bambus ist spröde und bricht eher als Rattan. Daher kommen sehr dicke Stämme zwar auch als Baumaterial und für die Möbelindustrie infrage, aber Rattan ist viel stärker und zäher und das bevorzugte Material. Dennoch wird Bambus in Plantagen gezogen und erreicht große Durchmesser.
Für unsere Zwecke gibt es aber auch einen Bambus Stock, der wegen seiner sehr eng stehenden Knoten gefahrlos verwendet werden kann. Der Spankee wird dazu möglicherweise eine andere Meinung haben.
Zuckerrohr dagegen ist eine Gras-Art und hat nichts mit Rattan zu tun.
Hier findet der interessierte Leser ein Link zu Dropbox, von wo er die Bilder locker sortiert herunterladen kann:
https://www.dropbox.com/sh/hajqg17pi74o49w/AADJQe_WJi_FLJGhlkTHlF-sa?dl=0
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