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Freitag, 2. April 2021

Rezension - Die Peitsche der Artemis

Die Peitsche der Artemis
Felice Tino Malfatti

Zeichnungen von Jan Hendriks
Johannes Hönscheid Verlags-KG 1971

(Nur noch antiquraisch zu bekommen)

Dies ist ein Teil der Lebensgeschichte des jungen Tino, der mit 17 Jahren kurz vor und nach Ausbruch des 2. Weltkrieges einige wunderbare Jahre in einer Dreiecksbeziehung zwischen zwei jungen, begehrenswerten Frauen verbrachte und diese Geschichte nach dem Krieg niederschrieb. Da kein Übersetzer genannt wird, muss das Buch wohl in Originalsprache gedruckt worden sein. Nach flüchtiger Recherche scheint der Roman sein einziger zu sein. Ich halte ihn für eine absolut zwingende Lektüre für jeden von uns mit einer ernsthaften Neigung in jede Richtung.

Zur Einstimmung die ersten Sätze des Vorwortes:

Dies sind Bekenntnisse eines inbrünstigen Verehrers weiblicher Schönheit, der aber auch in der Peitsche die Mittlerin höchster Wonnen sieht. Das geliebte Weib als sklavisch Gestriemte, das liebende Weib als züchtigende Herrin, das Dämonische und sich gegenseitig geradezu fordernde Wechselspiel zwischen Peitsche und heimgesuchter aphrodisischer Hügellandschaft, die Köstlichkeiten dieser nicht alltäglichen Wollust mit ihren vielen Varianten sind das thematische Material, das auszuformen sich der Verfasser vorgenommen hat.

Der Teenager Tino, eigentlich schon ein junger Mann, lebt in einem italienischen Ort im Dreiländereck zwischen Österreich, Italien und Kroatien mit seinem kränkelnden Vater und einer jungen Stiefmutter, Ilona, einer Ungarin in einem gutbürgerlichen Haus. Sein Vater ist häufig zur Kur abwesend und die gerade 6 Jahre ältere Stiefmutter betreut den Jungen zunächst und übernimmt dann nach und nach auch dessen Erziehung mit dem Stock. Dabei erlebt er seinen ersten Orgasmus während seine stramm gezogene Hose an seinem Penis scheuert. Ilona bemerkt das, aber beide haben schon zu diesem Zeitpunkt eine stille Übereinkunft, diese Züchtigungen fortzusetzen.

In das Haus gegenüber zieht ein Kapitän im mittleren Alter mit einer ebenfalls viel jüngeren Frau ein. Tino sieht diese schöne Frau jeden Tag und verliebt sich in sie, aber wagt keinen direkten Kontakt. Als der Kapitän erneut in See sticht, versucht sich Tino als Spanner und wird von der jungen Frau, Evelyn, geschnappt. Hier setzt es ebenfalls eine Tracht, aber mit der grünen Hundepeitsche. Darüber hinaus ist die junge und einsame Frau glücklich, nicht nur einen sklavisch ergebenen jungen Mann zur Verfügung zu haben, sondern sie macht ihn auch in der gleichen Nacht zum Liebhaber und lässt sich von ihm auspeitschen.

Damit ist die Bühne präpariert für ein munteres Spiel zu dritt, denn die beiden Frauen tauschen sich schnell aus und Tino bekommt alles: Liebe, Hiebe, und Hinterteile für die Peitsche der Artemis, wie er die Hundepeitsche der Evelyn nennt.

Noch ein Auszug, um die gewaltigen Leidenschaften, die da geweckt wurden und wunderschön beschrieben sind:

Da schritt sie mir voran, eine exotische Königin! Ganz nahe ging ich hinter ihr. Noch war ich zu scheu, mich auf diesen makellosen Körper zu stürzen, Der Aufruhr meiner Empfindungen war unbeschreiblich! Meine eigene Nacktheit, durch Evelyns Peitsche in eine Art absolute Nacktheit gesteigert erregte mich, trieb mich in den Strom des Urseins, riss mich fort von den Ufern fassbarer Gedanken. War ich wirklich Narziss, wie mich Evelyn nannte? Verliebt in die eigene Körperlichkeit?

Es geht in diesem Buch nicht um überspannte Menschen, die ihre Lust in poetischen Formulierungen auszudrücken versuchen, sondern um handfeste erotische Abenteuer. Aber die Art der Erzählung dieser Begebenheiten ist außergewöhnlich, leidenschaftlich, lechzend, plastisch, hymnisch – kurz hier jubiliert ein Mann über das unaussprechliche Glück, schon in seiner Jugend in alle Mysterien der Schmerzlust eingeweiht worden zu sein und obendrein noch perfekten Sexunterricht bekommen zu haben.

Neben der dominierenden und für die Zeit überraschend freizügigen Beziehung in gutbürgerlichem Hause, gab es zu jener Zeit auch andere Flagellanten, einen Händler, der exquisite Peitschen verkaufte, Sammler, die ein Vermögen für ganze Hinterlassenschaften aufbrachten, geheime Orte, an denen jede Art von Lust praktiziert wurde.

Besonders hervorzuheben ist Tinos eigenes Eingeständnis, dass er 30 Jahre nach den Ereignissen in Italien dieses Buch aus einer Erinnerung geschrieben hat, die nach seinen Worten in den siebziger Jahren noch so intensiv war, als wenn alles gerade passiert wäre. Er hat kein Tagebuch geführt.

Nach vielen, meist fröhlich beschwingten Monaten, geschildert auf mehr als 300 Seiten, kam das Ende des Krieges und damit entwickelte sich in wenigen Tagen ein dramatisches, gesetzloses Chaos zwischen abziehenden Deutschen, marodierenden italienischen und kroatischen Partisanen und anderem Gesindel, das im Dreiländereck die Städte unsicher machte. Die Frauen und Tino fielen in die Hände von sadistischen Kroaten und wurden schwer misshandelt, mit ihren eigenen Peitschen, in ihren eigenen Häusern. Wären nicht die Amerikaner einmarschiert, hätten sie die Misshandlungen wohl nicht überlebt. Aber 30 Jahre nach Kriegsende schreibt der erwachsene Tino einen Schlussabsatz:

Ich habe übrigens immer wieder meine Empfindungen durchforscht, ob die exzessiv blutrünstigen Erlebnisse jener Nacht noch irgendwie in den Rahmen unserer Passion passen. Leider habe ich feststellen müssen, dass diese Nacht Reize hinterlassen hat, denen ich mich nicht entziehen kann und mag … Im Laufe der Jahre sind aus den Alpträumen wahrhaftig Lustträume geworden.

 


 

Noch ein Beispiel, der Text zum Bild:

Ilona wies mit dem Stock auf die Couch und befahl mir, sie von der Wand abzurücken, dass man von beiden Seiten an sie herankam. Ohne viel Federlesens und ohne geringsten Widerstand meinerseits zog mich die kräftige Laura quer über das zweckentfremdete Möbel und spannte von der Kopfseite her mit beiden Händen meine Hose scharf und sicher faltenlos glatt an. Diese zupackenden Hände in meinem Kreuz und der sich um die erogenen Zonen spannende Stoff erzeugten in mir eine Wollust, deren Süße alles bisherige weit übertraf. Dann klatschten Ilonas Hiebe. Beim ersten und zweiten war es noch mehr Überraschung, dann aber durchzog mich der wilde, beißende Schmerz, der sich bis zur Unerträglichkeit steigerte. .... Ich schrie nicht, ich mag gestöhnt haben, ich durfte unter gar keinen Umständen das Wort verraten, das ich bei jedem Hieb hinausbrüllen hätte mögen: Weib! Weib! Weib! Sosehr und trotz der rasenden Schmerzen erfüllte mich der beseligende Gedanke, dass mich ein schönes Weib züchtigte.

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